Fran Drescher hat als Gewerkschaftsvorsitzende die Rolle ihres Lebens gefunden. Dabei war es ihr lange Zeit nicht gelungen, sich von ihrer einstigen Fernsehrolle zu lösen.
Dennis Hoffmeyer
3 min
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«Es ist ekelhaft. Wir sind die Opfer hier. Wir werden von einer sehr gierigen Einheit zu Opfern gemacht.» Fran Drescher steht an diesem geschichtsträchtigen Donnerstag in Los Angeles als Präsidentin der Schauspielergewerkschaft SAG-Aftra vor den Journalistinnen und Journalisten. In ihrem New Yorker Akzent verkündet sie den ersten gemeinsamen Streik von Drehbuchautoren und Schauspielern in Hollywood seit 63 Jahren.
Die Autoren haben bereits Anfang Mai ihre Arbeit niedergelegt – nun folgen die 160000 Mitglieder der Schauspielergewerkschaft. Zuvorderst dabei: Fran Drescher und ihre unverkennbar rauchige Stimme.
Drescher war in den 1990er Jahren mit der Fernsehserie «Die Nanny» berühmt geworden. Als Fran Fine trug sie Miniröcke und toupiertes Haar, klopfte hohle Sprüche und unterwarf sich ihrem Boss und Liebhaber, Mister Sheffield.
Mit ihrer Paraderolle von einst hat die Fran Drescher von heute kaum noch etwas gemeinsam. An der Pressekonferenz vom Donnerstag zeigte sie sich ungeschminkt und im schwarzen Gewerkschafts-Shirt mit der Aufschrift «Strong».
Es könnte die wichtigste Rolle ihres Lebens werden. Als Gewerkschaftsvorsitzende ist sie das Gesicht eines Streiks, der Zehntausende von Menschen und eine Milliardenindustrie betrifft.
Nach der «Nanny» ohne Rollen
Das war nicht immer so. Zwar war Drescher – für eine Frau in den 1990er Jahren eher untypisch – auch als Autorin und Produzentin für die Serie «Die Nanny» tätig. Doch die Leute erinnerten sich lange Zeit vor allem an das charmante, aber eben auch naiv-dümmliche Kindermädchen, das Drescher verkörperte.
Als die Serie eingestellt wurde, folgten kleinere Rollen in diversen Serien und Filmen. Doch die Rolle der Fran Fine klebte an Drescher wie das Haarspray in der Frisur der Nanny.
Anfang der 2000er Jahre verschwand Drescher von der Leinwand. Ärzte fanden bei ihr einen Tumor in der Gebärmutter. Nach der erfolgreichen Operation schrieb Drescher eine Biografie. In Interviews erklärte sie, sie habe das Buch geschrieben, damit andere nicht das Gleiche durchmachen müssten wie sie. Und weil sie dank ihrer Krankheit eine neue Berufung gefunden habe: 2007 gründete Drescher das Cancer Schmancer Movement, eine Organisation, die sich mit Krebsfrüherkennungen bei Frauen beschäftigt.
Aktivismus wird wichtiger
Gleichzeitig wurde Drescher politischer. 2008 unterstützte sie die Präsidentschaftskandidatur von Hillary Clinton und hegte Ambitionen auf einen Sitz im Kongress. Ihre politischen Gedanken teilt Drescher seither auf Twitter. Dort prangert sie den Kapitalismus an und ruft zur Revolution auf.
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Mit ihrem Aktivismus ist Fran Drescher in Hollywood nicht alleine. Auch andere Hollywood-Stars wie Jane Fonda, Joaquin Phoenix oder Lucy Lawless engagieren sich. Ein Grossteil der Prominenten setzt sich für die Umwelt ein. Fran Drescher für die Schauspieler.
2021 kandidierte sie für den Vorsitz der Gewerkschaft SAG-Aftra. Am Ende setzte sie sich gegen Schauspieler Matthew Modine durch. Tom Hanks, Dan Aykroyd, Rosario Dawson oder Alec Baldwin unterstützten sie dabei. «In dieser neuen Welt, in der Streaming unsere Arbeit und unsere Vergütung verändert, brauchen wir bahnbrechende Führungspersönlichkeiten, die bereit sind, für uns zu kämpfen», sagte etwa Baldwin in einem Video.
Kritik für Drescher
Drescher wurde damit eine indirekte Nachfolgerin von Ronald Reagan. Der frühere Schauspieler und spätere US-Präsident verhandelte beim letzten wegweisenden Streik im Jahr 1960 als SAG-Vorsitzender. Damals legten die Autoren fünf Monate lang ihre Arbeit nieder – und die Schauspieler schlossen sich sechs Wochen lang an.
Wie lange es dieses Mal dauert, weiss niemand. Drescher hat sich aber bereits einen Patzer geleistet. Kurz vor Streikbeginn reiste sie für einen Event des Modelabels Dolce & Gabbana nach Apulien und postete Fotos mit der Influencerin Kim Kardashian. In Hollywood erntete sie dafür viel Kritik. «Das lässt eine Gewerkschaftsvorsitzende schrecklich aussehen, es sei denn, der Verhandlungstisch ist nach Italien verlagert worden», twitterte die Serienschöpferin Taffy Brodesser-Akner.
Auf der Pressekonferenz vom Donnerstag sprach Drescher die Italien-Reise an: «Es war definitiv Arbeit», sagte sie und fügte an, dass sie trotz Auslandsaufenthalt mit den Verhandlungspartnern kommuniziert habe. «Ich war drei Stunden am Tag beim Coiffeur und in der Maske, bin in Stöckelschuhen über Kopfsteinpflaster gelaufen. Solche Dinge zu tun, das ist Arbeit. Das macht keinen Spass.»
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